Groß, größer, am größten

Urwald

Klein war gestern. Von nun an hatten die Großen das Sagen. Je größer, desto besser, schien die Losung zu sein. Wie hatte doch alles so beschaulich begonnen. Viele kleine unsichtbare Wesen hatten die Welt, respektive die Meere bevölkert und keinem etwas zuleide getan. Naja, ganz so friedfertig waren die Kleinen nun auch wieder nicht. Sie haben sich schon mal gegenseitig aufgefressen und mit ihrem Stoffwechsel die Umwelt dramatisch verändert. Letzten Endes war es ihre Gier nach Energie, die der alten Welt, in der nur anaerobe Mikroorganismen existierten, ein Ende setzte.

Die Cyanobakterien waren schuld. Sie kamen auf den Dreh, die so reichlich vorhandene Sonnenenergie für den eigenen Bedarf zu nutzen. Zu diesem Zweck erfanden sie die Photosynthese, mit der sie aus Kohlendioxid und Wasser unter Zuhilfenahme von Sonnenlicht Zuckermoleküle produzierten. Diese Zucker konnten in der Zelle gespeichert und bei Bedarf mittels Aufspaltung für den eigenen Energiebedarf verwendet werden. Kohlendioxid war zu jener Zeit reichlich im Wasser gelöst, es war ja auch wesentlicher Bestandteil der Atmosphäre. Um an das Sonnenlicht zu gelangen, mussten die Cyanobakterien allerdings aus der schützende Tiefe der Gewässer auftauchen und es sich in der Nähe der Oberfläche kommod machen. Das taten sie nicht jede für sich allein, sie bildeten vielmehr Kolonien, also Verbünde, in denen man sich im Überlebenskampf unterstützen konnte. Das Ganze erwies sich als Erfolgsmodell mit ungeahnten Folgen.

In den Verbünden der Cyanobakterien waren auch andere Organismen zugelassen, solange sie dem Ganzen nicht schadeten, ihm vielleicht sogar nützlich waren. Artfremde Bakterien waren auch deshalb willkommen, weil sie Aufgaben übernehmen konnten, für die den Cyanos die Voraussetzungen fehlten. Als Gegenleistung erhielten sie Energie in Form von Zucker. Zucker nur auf Zuteilung zu erhalten, wirkte jedoch als Aktionsbremse. Wollten diese Bakterien flexibel agieren, mussten sie die Energieversorgung in die eigenen Hände nehmen. Am einfachsten war es, eine Cyanobakterie in den eigenen Zellaufbau zu integrieren. Es spricht vieles dafür, dass auf diese Weise größere Bakterien mit eigener Photosynthese entstanden, die wir heute als Grünalgen bezeichnen. Die Zellverbünde der Cyanobakterien brachten noch eine weitere Neuerung hervor, denn ein Teil der Einzeller trennte sich im Zuge der Vermehrung nicht mehr völlig voneinander. Vielleicht war es die räumliche Enge in den Verbünden, vielleicht war auch die Kooperation auf diese Weise einfach effektiver, inmitten der Zellverbünde entstanden jedenfalls mehrzellige Gebilde, die unterschiedliche Formen annahmen. Einige entwickelten sich zu langen Fäden, die auf diese Weise relativ große Flächen erschließen konnten, andere bildeten kompakte Einheiten, die besser gegen äußere Einflüsse geschützt waren. Irgendwann waberten mehrzellige Wesen in hoher Dichte durch die Meere. Da sie mit der Photosynthese große Mengen an Kohlendioxid verbrauchten und gleichzeitig Sauerstoff freisetzten, veränderten sie nach und nach die Zusammensetzung der Atmosphäre.

In den Meeren war Kohlendioxid bereits zu einem relativ knappen Gut geworden, was zum begrenzenden Faktor für die Grünalgen wurde. In der Luft war zwar noch genügend Kohlendioxid vorhanden, doch um dieses nutzen zu können, musste man das Wasser verlassen. Da auf der Wasseroberfläche der Platz begrenzt und die Nährstoffe rar waren, blieb als Alternative nur die Eroberung des entstandenen Festlands. Ausgerechnet das Sonnenlicht, das man doch für die Photosynthese brauchte, stand diesem Plan entgegen. Im Wasser wurde der UV-Anteil des Lichts weitgehend absorbiert, außerhalb entfaltete er jedoch seine tötliche Wirkung. War es Berechnung oder war es Zufall, dieses Problem erledigte sich scheinbar von selbst. Das Sonnenlicht wandelte nämlich den von den Cyanobakterien und den Grünalgen freigesetzten Sauerstoff in den höheren Schichten der Atmosphäre zu Ozon um, der nun wie ein Schirm vor den tötlichen Strahlen schützte. Der Eroberung des Festlands stand jetzt tatsächlich nichts mehr im Wege.

Was hier so kurz erzählt daherkommt, nahm in der Realität allerdings einige Zeit in Anspruch. Mehr als eine Milliarde Jahre vergingen, bis aus Cyanobakterien einzellige Algen wurden, und dann noch einmal eine halbe Milliarde Jahre bis komplexe Mehrzeller, mithin Pflanzen, entstanden. Ehe einer dieser winzigen Vielzeller als Urahn der Landpflanzen in die Geschichte eingehen konnte, sollten nochmals Millionen von Jahren vergehen.1) Man nimmt heute an, dass es Nachfahren besagter Grünalgen waren, die als erste diesen Schritt taten. Einige von ihnen hatte es durch Überschwemmungen oder andere Widernisse in die Seen und Tümpel des Festlands verschlagen. Dort mussten sie immer wieder mit längeren Trockenzeiten zurechtkommen. Überleben konnte nur, wer den eigenen Körper vor Flüssigkeitsverlust schützte. Zu diesem Zweck bedeckten die Grünalgen ihre Oberfläche mit einer transparenten Hülle aus Wachsen und fetthaltigen Substanzen. Diese Hülle musste gleichzeitig den Gasaustausch erlauben, weshalb sie wahrscheinlich recht dünn war. Doch woher sollten die Algen Nährstoffe nehmen, wenn ihr Lebenselexier, das Wasser, zu einem knappen Gut geworden war? Möglicherweise waren sie in der Lage, Nährstoffe aus der Luft oder aus der sie umgebenden Restfeuchte zu ziehen. Wahrscheinlich hatten sie aber auch Partner, Pilze zum Beispiel, die ihnen halfen, das Leben auf dem Trockenen zu meistern.

Die Ahnen der Pilze stammten ebenfalls aus dem Meer. Man kannte sich also und hatte in den Zellverbünden schon Erfahrungen miteinander gesammelt. Pilze bilden lange Zellfäden, mit denen sie relativ große Flächen nach Nahrung absuchen können. Dadurch waren sie in der Lage, dem Verbund Nährstoffe zu liefern, die für die Cyanobakterien oder die Grünalgen nicht erreichbar waren. Für ihre Dienste wurden sie mit Zucker entlohnt. Um eine solche Zusammenarbeit auf dem Trockenen fortzusetzen, mussten die Pilze die erforderlichen Nährstoffe allerdings vom Boden aufnehmen. Da an der Oberfläche nicht viel zu holen war, stießen sie ins Erdreich vor. Die Grünalgen halfen ihnen, indem sie sich mit ihrem Korpus im Erdreich verankerten und so den Pilzen den Weg bereiteten. Für diese Annahme spricht, dass noch heute neun von zehn Pflanzen in einer vergleichbaren Symbiose mit Pilzen leben.

Wie dem auch sei, vor rund 480 Millionen Jahren begann die Begrünung des Festlandes. Es waren vor allem Moose, Nachfahren der Algen, die diesem Prozess zu rasantem Tempo verhalfen. Ebenso wie die Algen bilden auch Moose Sporen, die aber nicht durch das Wasser, sondern vor allem mit Hilfe des Windes, und dadurch schneller und weitflächiger, verbreitet werden. Treffen Sporen auf nährstoffreichen Boden, dann können sich neue Pflanzen bilden. Die neuen Pflanzen sind Klone, das heißt, ihr Erbgut gleicht dem der Mutterpfanze bis ins Detail. Diese Art der Fortpflanzung ist sehr effektiv. Ihr Nachteil besteht darin, dass sich Veränderungen im Erbgut, die für die Anpassung an neue Umweltbedingungen erforderlich sind, nur über Mutationen vollziehen können. Damit ist sie jedoch vom Zufall, dass ein passender Fehler auftritt, abhängig. Gerade an Land, wo Naturgewalten und Schwankungen im Klima häufig Veränderungen in den Bedingungen bewirkten, konnte dieses unsichere Prozedere zum tötlichen Handicap werden. Eine andere Strategie der Fortpflanzung musste her.

Die Lösung, die von der Natur gefunden wurde, war so simpel wie genial. Mutationen hatten bewirkt, dass Individuen entstanden waren, die zwar zur selben Art gehörten, sich aber in einigen Merkmalen unterschieden. Wenn zwei solcher Individuen ihr Erbgut vereinten, dann würde etwas Neues entstehen, das sich von beiden Eltern unterschied. Zum Zwecke einer solchen Vereinigung entwickelten sich zwei unterschiedliche, aber passfähige Keimzellen. Die einen waren fest im Lebewesen verankert, die anderen waren mobil, sie konnten mit Hilfe von Wind und Wasser auf Reisen gehen. Traf die reisende Keimzelle nun auf eine passfähige stationäre, dann konnten sich beide vereinen. Die beweglichen Keimzellen nennen wir männliche, die stationären weibliche. Der aus der Vereinigung entstehende Keim konnte nun seinerseits auf Reisen gehen und neue Lebensräume erschließen. Da die Nachkommen Eigenschaften der Eltern jeweils in unterschiedlichen Anteilen vereinen, unterscheiden sie sich voneinander. Diejenigen, die am besten mit den gegebenen Bedingungen klarkamen, vermehrten sich am stärksten und prägten fortan die Population.

Was sich einmal bewährt hat, wird von der Natur nicht so schnell preisgegeben. Das gilt auch für die Fortpflanzung durch Klonung. Wurden vereinzelte Samen in ein noch nicht besiedeltes Gebiet getragen, dann war dort eine geschlechtliche Fortpflanzung wegen fehlender Partner nicht möglich. In einer solchen Situation war es hilfreich, eine Alternative zu haben und mittels Klonung eine Kolonie gründen zu können. Die Klone waren zwar genetisch gleich, doch mit der Zeit bildeten sich auch hier durch Mutationen Individuen heraus, die eine geschlechtliche Fortpflanzung ermöglichten. Noch heute können sich etwa 40 Prozent aller Pflanzen durch Knospung, Ableger, Ausläufer und andere Formen ungeschlechtlicher Fortpflanzung ausbreiten. 2)

Die Entwicklung hatte nun richtig Fahrt aufgenommen. Bahnbrechende Innovationen brauchten nicht mehr Milliarden von Jahren, bereits in einigen Millionen Jahren konnten sich grundlegende Neuerungen durchsetzen. Das mag auch daran gelegen haben, dass die Bedingungen auf Erden lebensfreundlicher geworden waren. Die neuen Vermehrungstechniken, die in relativ kurzer Zeit viele Variationen einer Pflanzenart hervorbringen konnten, trugen ebenfalls dazu bei. Es entstanden zum Beispiel Pflanzen, die durch eine dickere Hülle geschützt waren. Da der Gasaustausch trotzdem gesichert sein musste, bauten sie Spalte in die Oberfläche ein, die nach Bedarf geöffnet oder geschlossen werden konnten. Außerdem begannen die Pflanzen, sich dem Licht entgegenzustrecken. Dazu musste ihr Aufbau stabiler werden. Neuartige Moleküle wurden gebildet und so angeordnet, dass sie ein Stützkorsett ergaben. Zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs brauchte man leistungsstarke Sonnenkollektoren, Blätter genannt. Der von ihnen produzierte Zucker wurde nicht nur als Energiereserve gebraucht, er diente auch als Ausgangsmaterial für die pflanzlichen Baustoffe. Dann war da noch das Problem mit dem Wasser, dass irgendwie aus dem Boden gesogen und durch die gesamte Pflanze bis zu den Blättern transportiert werden musste. Ein entsprechendes Wurzelwerk wurde gebildet, welches das Wasser, mitunter aus großen Tiefen, heranschaffte. Um dessen Transport zu gewährleisten, wurde über die Spalten der Blätter Feuchtigkeit verdunstet. Der auf diese Weise entstehende Sog, unterstützt durch ein System von sich ständig verjüngenden Röhren, ermöglichte diese logistische Meisterleistung.

In Bezug auf die Fortpflanzung sind ebenfalls Neuigkeiten zu vermelden. Bei dem so wichtigen Geschäft, wie es die Verbreitung der Samen darstellt, lediglich auf Wasser und Wind zu vertrauen, war auf die Dauer ein zu unsicheres Unterfangen. Mittlerweile gab es jedoch unzählige Krabbelwesen, die vor 400 Millionen Jahren begonnen hatten, das Land zu bevölkern. Ein Teil von ihnen konnte sogar fliegen und auf diese Weise größere Entfernungen zurücklegen. Diese Krabbelwesen, Insekten vor allem, waren zwar mitunter eine rechte Landplage, aber vielleicht konnte man sie ja zur Verbreitung des eigenen Samens gebrauchen. Dazu mussten sie irgendwie angelockt werden. Einige Pflanzen bauten um die Keimzellen herum ein Gebilde, Blüte genannt, dass durch seine Form, seine Farbe oder durch die Absonderung von speziellen Duftmolekülen diese Aufgabe erfüllte. Außerdem winkte dem Besucher süßer Nektar als Belohnung. Die einzelnen Krabbeltierchen entwickelten unterschiedliche Vorlieben hinsichtlich Farben, Formen und Gerüchen. Die Pflanzen spezialisierten sich mit ihren Blüten auf den Geschmack eines oder weniger dieser kleinen Helferlein, so dass man sich untereinander nicht in die Quere kam. Diese Strategie war in toto derart erfolgreich, dass heute 80 Prozent aller Pflanzen Blütenpflanzen sind.

Einige der Pflanzen hatten bereits eine erstaunliche Größe erreicht. Aber groß war nicht groß genug. Um noch weiter dem Licht entgegenstreben zu können, musste der eigene Aufbau verstärkt werden. Holz wurde zu einer weiteren bahnbrechenden Neuerung der Pflanzen. Um weit in den Himmel ragen zu können, war es erforderlich, sich im Boden zu verklammern, da sonst jeder Windstoß dem Streben nach Höherem ein jähes Ende bereiten würde. Starke Wurzeln, die sich fest im Untergrund verankerten, waren gefragt. Die Wurzeln dienen auch dem Einsammeln von Wasser und Nährstoffen. Damit sie wachsen und ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen können, brauchen sie Energie. Außerdem sind sie bei ihrer Versorgungsaufgabe auf die Hilfe von Pilzen angewiesen, die mit Zucker entlohnt werden müssen. Mit anderen Worten, in den Wurzeln wird viel Zucker benötigt, dessen Produktion jedoch den Blättern obliegt, die ihrerseits dem Licht zustreben. Der Zucker musste also von den Blättern hoch oben durch die gesamte Pflanze bis nach unten in die Wurzeln geleitet werden. Dazu war ein Leitungssystem erforderlich, das mit Hilfe der Schwerkraft den Zuckerfluss durch den ganzen Baum hindurch gewährleistete.

Kaum war ein Problem gelöst, tauchte ein neues auf. Die Pflanzen hatten sich gewaltig vermehrt und eine große Artenvielfalt ausgebildet. Nährstoffreiche Gebiete waren bald dicht besiedelt, was zu einem Konkurrenzkampf um Rohstoffe und Energie führte. Der Pflanzenreichtum lockte auch haufenweise Parasiten und Schmarotzer an, die die fleißigen Pflanzen anzapften und ihnen Mineralstoffe und Zucker entzogen, ohne eine Gegenleistung dafür zu liefern. Noch gravierender war, dass eine andere Gruppe von Lebewesen, Tiere nämlich, sich ebenfalls aufgemacht hatte, das Festland zu erobern. Für ihre Ernährung hatten sie sich die Pflanzen, wen sonst, auserkoren. Auf all diese Bedrohungen mussten die Pflanzen reagieren. Sie mussten sich also der Konkurrenz anderer Pflanzen erwehren, Parasiten bekämpfen und sich vor dem übermäßigen Befraß durch Tiere schützen. Außerdem galt es, sich stets von neuem den sich verändernden Umweltbedingungen anzupassen, die Vermehrung zu gewährleisten und neue Lebensräume zu erobern. Für die Bewältigung all dieser Herausforderungen war eine Interaktion mit der Umwelt erforderlich, für die möglichst viele Informationen benötigt wurden. Charakteristisch ist jedoch, dass die Aktionen der Pflanze nicht von einer Zentrale aus gesteuert werden.

Nehmen wir das Wachstum der Pflanze als Beispiel. Für ihr Wachstum braucht sie eine Richtung, in die es gehen soll – die Wurzeln nach unten und die Triebe nach oben,zum Beispiel. Aber, wo ist oben und wo ist unten? Die Pflanzen entwickelten spezielle Zellen, in denen sie mit Hilfe kleiner Kügelchen, die von der Schwerkraft an die Zellwand gedrückt werden, festgestellen kann, ob die Wurzelspitze nach unten und der Trieb nach oben zeigt. Erspürt die Wurzel ein Hindernis, muss sie ausweichen, um nach dessen Wegfall den Weg nach unten fortzusetzen. Auch in ihrem Streben zum Licht müssen die Triebe manche Verrenkung in Kauf nehmen, um in höhere Regionen vorzustoßen. Dann ist da noch der Rhythmus von Tag und Nacht, dem sich die Pflanzen anpassen müssen. In der Nacht steht keine Sonnenenergie zur Verfügung, so dass sich auch die Photosynthese nicht vollziehen kann. Zeit ist im Leben jedoch ein rares Gut. Um die der Nacht nicht zu vergeuden, musste die Photosynthese in zwei Schritte aufgeteilt werden. Am Tag wird die Sonnenenergie eingesammelt und auf chemischen Wege zwischengelagert, während in der Nacht Kohlendioxid der Luft mit Hilfe dieser Energie zu Zuckermolekülen umgebaut wird. Zur Steuerung dieses Rhythmusses entwickelten die Pflanzen eine innere Uhr aus Proteinen, die nach einem festgelegten Schema auf- und wieder abgebaut werden. Das heißt, die Pflanze misst die Zeit mit Hilfe von Prozessen gleichbleibender Dauer, ein Prinzip, das auch für uns Grundlage jeglicher Zeitmessung ist. Der Nachteil dieses Systems besteht darin, dass es jahreszeitlich bedingte Änderungen der Tag/Nacht-Wechsel nicht berücksichtigen kann. Weitere Impulse, die aus der Länge und der Intensität der Sonneneinstrahlung entstehen, mussten hinzukommen, um die Pflanze in die Lage zu versetzen, sich nicht nur in den Tages- sondern auch in den Jahreszeiten zu orientieren. 2)

Die genannten Beispiele sind jedoch nicht die einzigen Informationsquellen, die sich Pflanzen erschlossen haben. In den letzten Jahren wurden eine ganze Reihe von Wahrnehmungen der Pflanzen nachgewiesen, wobei zur Informationsübertragung nicht nur Botenstoffe, sondern auch elektrische Impulse eingesetzt werden. Einige Pflanzen können zum Beispiel durch die Luft wirbelnde Moleküle wie auch in Flüssigkeiten gelöste Substanzen erkennen. Andere nehmen Schallwellen, Licht verschiedener Frequenz, Druck, äußere Feuchtigkeit oder Wärmequellen wahr. All diese Wahrnehmungen der Pflanzen basieren auf relativ einfachen Wirkprinzipien, die man, zumindest in Teilen, bereits bei einzelligen Lebewesen findet. Die Sinne der Tiere basieren im Übrigen auf durchaus vergleichbaren Prinzipien. Die Unterschiede in den Wahrnehmungen von Einzellern, Pflanzen und Tieren resultieren also nicht in erster Linie aus den ihnen zugrundeliegenden Wirkprinzipien, sie sind vielmehr in der wachsenden Empfindlichkeit der Sensorzellen, in der zunehmenden Komplexität der Sinnesorgane und vor allem in der Art und Weise, wie die gewonnenen Informationen weitergeleitet, verarbeitet und genutzt werden, begründet.

zuletzt geändert: 15.07.2019

1) GEO kompakt Nr. 38, Seite 38 ff sowie Seite 150

2) ebenda, S. 68

3) ebenda, Seite 24 ff

4) ebenda, S. 123

Bild: soziologie-etc.com