Sonntags im Zoo

Nun sage jemand, Physiker hätten keinen Humor. Ich nehme jedenfalls an, dass das Wort vom Teilchenzoo durch einen Physiker geprägt wurde. Wie dem auch sei, einmal in die Welt gesetzt, hat es sich fröhlich verbreitet. Wahrscheinlich auch deshalb, weil es dem interessierten Laien und geneigten Zuhörer einer Sonntagsvorlesung eine ungefähre Vorstellung davon gibt, was es mit der Teilchenvielfalt auf sich hat. Eigentlich wollten die Physiker die Grundbausteine der Welt finden, herausgekommen ist jedoch diese kaum überschaubare Vielfalt anTeilchen. Wie konnte das passieren?

Angefangen hat alles mit dem Standardmodell der Teilchenphysik, das uns die Welt der kleinsten Bausteine erklären will. Ursprünglich handelte es sich um eine eng begrenzte Zahl solcher Teilchen. Es gab Protonen und Neutronen, die den Atomkern bilden, und Elektronen, die diesen umkreisen. Fertig war´s. Irgendwann stellte sich heraus, dass Neutronen mitunter zerfallen, und zwar in ein Proton, ein Elektron und ein Anti-Neutrino. Es hat den Anschein, als wären Neutronen aus der Vereinigung eines Protons mit einem Elektron entstanden, um einen neutralen Mikrokosmos zu bilden. Allein gebliebene Protonen sind hingegen auf „fremde“ Elektronen angewiesen, die sie in ihren Bann ziehen müssen, um einen energetischen Gegenpol zu erhalten. Wenn wir in Betracht ziehen, dass das Neutron zerfallen kann, dann haben wir wieder drei Grundbausteine, aus denen alle Atome aufgebaut sind: Protonen, Elektronen und Anti-Neutrinos. Eine Eigenschaft der Teilchen besteht darin, dass sie eine elektrische Ladung tragen. Den Elektronen ordnet man die elektrische Ladung von minus eins zu, den Protonen von plus eins. Die elektrische Ladung der Neutrinos wird mit null angegeben. Eine weitere Eigenschaft der Elementarteilchen ist ihr Spin. Der Spin bezeichnet die Bewegung der Teilchen um sich selbst. Er wird sowohl für Protonen als auch für Elektronen und Neutrinos mit 1/2 angegeben. Damit haben wir die Grundbausteine und die Strukturprinzipien eines Atoms beisammen. Aber wo ist deren Masse?

Die Masse des Atoms muss im Kern, das heißt in den Protonen und Neutronen stecken. Sie sind die Kolosse unter den Elementarteilchen. Es entsteht allerdings die Frage, ob diese Kolosse nicht ihrerseits strukturiert, das heißt aus kleineren Teilchen aufgebaut sind. Tatsächliche hat man kleinere Bestandteile gefunden, die als Quarks bezeichnet werden. Ein Proton beziehungsweise ein Neutron ist aus jeweils drei dieser Quarks aufgebaut, wobei man die Quarks in zwei Arten differenziert, die sich in ihrem Spin unterscheiden. Das eine spinnt langsam und nach unten, das andere schneller und nach oben. Damit hätten wir jetzt vier Grundbausteine, aus denen alle Atome aufgebaut sind: Elektron, Anti-Neutrino, up-Quark und down-Quark. Und da alle diese Teilchen einmal linksdrehend und einmal rechtsdrehend auftreten können, Physiker nennen das Materie und Antimaterie, verdoppelt sich die Anzahl der Grundbausteine auf acht. Richtiger sollte man sagen, es sind vier Teilchen in jeweils zwei alternierenden Ausprägungen. Nur, wie entsteht der Teilchenzoo?

Eine Möglichkeit wäre, dass Teilchen, die selbst eine innere Struktur besitzen, in ihre Bestadteile zerfallen. Manche, wie die Neutronen, tun das freiwillig, bei anderen muss man ein wenig nachhelfen. Außerdem könnte man Schöpfer spielen und Teilchen miteinander kombinieren, die sonst vielleicht nie zueinander gefunden hätten. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, den Teilchen Energie zuzuführen oder auch zu entziehen und sie auf diese Weise zu modifizieren. Jedenfalls konnten auf die eine oder andere Weise bereits rund 300 Arten dem Teilchenzoo hinzugefügt werden. Viele dieser Teilchen entstehen nur bei extremen Bedingungen und das für äußerst kurze Zeit, so dass ihre praktische Relevanz wohl begrenzt bleiben wird. Böse Zungen bezeichnen den Teilchenzoo gar als Ansammlung von Mutanten und Chimären.

Bleiben wir lieber noch ein wenig bei den Grundbausteinen, aus denen alle Atome aufgebaut sind. Obwohl alle Atome die gleichen Grundbausteine besitzen, sind sie nämlich nicht alle gleich. Auf der Erde kennen wir immerhin 94 natürliche Elemente, das heißt 94 verschiedene Arten von in der Natur vorkommenden Atomen. Man könnte zirka 20 Elemente hinzuzählen, die auf künstlichem Wege erzeugt wurden. Die Elemente unterscheiden sich in erster Linie durch die Anzahl ihrer Protonen, wobei eine gleiche Anzahl von Neutronen und Elektronen das jeweilige Atom vervollständigen. Das ist jedenfalls das Grundprinzip, von dem jedoch Abweichungen möglich sind. So kann zum Beispiel die Zahl der Neutronen variieren, was zu geringfügigen Unterschieden in den Eigenschaften der daraus resultierenden Isotope führt. Offensichtlich sind es aber die Protonen und die Elektronen, die die Eigenschaften der Atome maßgeblich bestimmen. Jedes Proton braucht ein Elektron als energetischen Gegenpart, damit eine stabile Struktur entstehen kann. Die Elektronen ziehen ihre Bahnen in Bewegungsräumen, die wie Schalen um den Kern gelegt sind. In jedem Bewegungsraum findet nur eine bestimmte Anzahl von Elektronen Platz. Die jeweils äußeren Elektronen sind, da sie sich am weitesten von der kontrollierenden Kraft des Kerns befinden, für äußere Einflüsse anfällig. Sie lassen sich schon mal auf ein Techtelmechtel mit anderen Stoffen ein. Dabei können Elektronen abgegeben werden oder dazukommen, manchmal werden sie auch von mehreren Atomen gemeinschaftlich genutzt. Die Elektronen bestimmen auf diese Weise die Außenbeziehungen des Atoms.

Aber zurück zum Kern, der, wie wir wissen, aus Protonen und Neutronen besteht und diese wiederum aus Quarks. Die Quarks haben selbst keine Bestandteile oder Strukturelemente, das heißt, sie sind strukturlos, gewissermaßen Energie pur. Trotzdem zeigen sie mitunter Eigenschaften von Teilchen. Wie geht das zusammen? Wir wissen bereits, dass sie in up- und down-Quarks unterschieden werden. Darüber hinaus haben sie einen unterschiedlichen Spin, das heißt eine unterschiedliche Drehzahl in der Bewegung um sich selbst. Hinzu kommt ihre unterschiedliche Drehrichtung. Wie kommen all diese Unterschiede zustande, wenn es sich doch um strukturlose Energie handeln soll, die ja nicht über einen eigenen Korpus verfügt? Was dreht sich da eigentlich? Ein Grundsatz der Dialektik ist, dass Inhalt und Form eine widersprüchliche Einheit bilden. Verkürzt könnte man sagen, es gibt keine Form ohne Inhalt, gleichzeitig existiert kein Inhalt ohne Form. Auf unsere Fragestellung bezogen heißt das, die Quarks, die selbst keine Bestandteile haben, quasi reine Energie darstellen, brauchen ebenfalls eine wie auch immer geartete Form ihrer Existenz. Da diese Form weder eine äußere Hülle noch eine innnere Struktur haben kann, muss sie in ihrer Energie, in der Spezifik ihrer inneren Bewegungen zu suchen sein. Naheliegend ist, dass diese Bewegungen einer wie auch immer gearteten Endlosschleife ähneln. Hier sind einige mathematische Modelle, um diese Überlegung etwas anschaulicher werden zu lassen.

Modell 1modell 3

Modell 4

Durch die Art und Weise dieser Bewegung erhält die Energie eine Form, die wiederum eine äußere Bewegung, einen Spin, ermöglicht. Damit wäre gleichzeitig ein Erklärungsansatz für die ansonsten nur schwer fassbare Zwitterstellung dieser „Teilchen“ gegeben. Sie sind einerseits Portionen oder Quanten purer Energie, die andererseits Eigenschaften von Partikeln offenbaren. Um die beiden gegensätzlichen Seiten dieser „Teilchen“ deutlich zu machen, werden sie im weiteren als Energiepartikel bezeichnet. Zu diesen Energiepartikeln zählen zum Beispiel auch Elektronen, Neutrinos und Photonen.

Eine weitere Grundeinsicht der Dialektik besagt, dass sich nichts nur aus sich selbst erklären lässt, immer ist das Gegenteil in die Erklärung einzubeziehen. In Bezug auf die Bewegungen hatten wir bereits gesehen, dass sich jede Bewegung einerseits in einer bestimmten Zeitspanne vollzieht und dass sie sich andererseits aus Zeitpunkten von Bewegungslosigkeit zusammensetzt. Hinsichtlich der Strukturen stellen wir nun fest, dass sie einerseits eine räumliche Ausdehnung besitzen, dass sie andererseits jedoch aus Partikeln bestehen, die Raum nur punktuell und dann auch nur flüchtig besetzen können.

Bild: spektrum.de

 zuletzt geändert: 03.06.2019