Ich kann dich nicht riechen

Riechen und schmecken gehören eng zusammen. Man könnte sagen, sie sind Partner, wobei sich der Geruch in vielerlei Hinsicht als Chef geriert. Schmecken kann man zum Beispiel erst, wenn das zu begutachtende bereits in den Mund gelangt ist. Das ist für viele Gefahren, die auf uns lauern, etwas spät. Wenn man Asche im Mund wahrnimmt, dann ist das Feuer bereits so nah, dass es mit dem Weglaufen schwierig werden dürfte. Aber, kein Feuer ohne Rauch. Der Rauch besteht aus einzelnen Molekülen, die der Wind schnell davonträgt und die deshalb den Flammen weit vorauseilen können. Für die Wahrnehmung dieser Partikel ist der Geruchssinn zuständig. Der Geruch warnt jedoch nicht nur vor Gefahren, er hilft auch dem Jäger, der Spur der erstrebten Beute zu folgen. Selbst pflanzliche Nahrung kann mit Hilfe des Geruchs ausgemacht werden. Die Partikel offenbaren zudem, ob die anvisierte Nahrung genießbar ist oder vielleicht schon verdorben. Als verdorben erkannte Nahrungsmittel braucht man nicht mehr in den Mund zu schieben, um festzustellen, dass sie nicht bekömmlich sind.

Wie der Geruch hilft, eine Nahrungsquelle aufzuspüren, führen uns Neugeborene überzeugend vor. Sie erschnuppern die Milchquelle, die sie noch nicht sehen können, und docken zielstrebig an. Das Baby trifft dazu keine Entscheidung nach dem Motto „oh, eine Milchquelle, die sollte ich probieren“, sondern der Geruch der Milch löst direkt ein vorprogrammiertes Verhalten aus. Diese direkte Kopplung von Geruch und Verhalten lässt sich auch in anderen Zusammenhängen beobachten. So kündigt sich die genetische Verfasstheit eines Menschen, die bei der Partnerwahl von großer Bedeutung ist, ebenfalls über den Geruch an. Menschen, die sich genetisch ähnlich sind, können sich aus diesem Grund oft „nicht riechen“. Sie werden als Partner für die Fortpflanzung abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgt nicht aus einer überlegten Entscheidung heraus, sie wird vielmehr unwillkürlich vom Geruch provoziert. Die meisten Menschen könnten in einem solchen Fall wohl nicht einmal sagen, warum sie den einen oder die andere als Partner ablehnen.

Der Duft verrät manches über die allgemeine biologische und psychische Verfassung eines Menschen. So verändern Krankheiten, Stress oder Angst das Geruchsbild. Leider scheinen wir die Fähigkeit verloren zu haben, diese Gerüche zu erkennen. Es könnte aber auch sein, dass wir viele dieser Gerüche zwar wahrnehmen, aber nicht identifizieren können. Sie beeinflussen „unerkannt“ unsere Handlungen, die dann als intuitive Aktionen oder auch nur als diffuses Gefühl in Erscheinung treten. Man kann durchaus versuchen, sich den „geheimen“ Einfluss mancher Düfte zu nutze machen, jedenfalls soll es Männer geben, die schon mal mit sexuellen Lockstoffen experimentiert haben. Allerdings muss man neidlos anerkennen, dass auch auf diesem Feld Frauen weit überlegen sind.

Wie entsteht Geruch überhaupt? Lebewesen, wie auch alle anderen Dinge in unserer Welt, sondern Moleküle ab, beziehungsweise diese lösen sich aus dem Verbund der Stoffe. Sie werden über die Luft davongetragen, bis sie sich wieder irgendwo anlagern. Atmet man diese Moleküle mit der Luft ein, gelangen sie auf ihrem Weg durch die Nase zur Riechschleimhaut. Auf diesem nur wenige Quadratzentimeter großen Fleck befinden sich 10 bis 30 Millionen Riechzellen, die insgesamt 350 bis 400 verschiedene Duftrezeptoren tragen. Jeder Duftrezeptor hat sich auf Moleküle mit einer bestimmten Struktur spezialisiert, die er, so sie in seine Nähe geraten, einfängt. Wenn er eines erwischt hat, wird durch die Sinneszelle ein elektrischer Impuls an das Gehirn gesandt. Das Gehirn wiederum registriert, welcher Rezeptor reagiert hat und ordnet dem Signal eine entsprechende Duftnuance zu. Die verschiedenen Nuancen können in unterschiedlicher Weise kombiniert sein, so dass eine unübersehbare Zahl von komplexen Düften entsteht. Ein gesunder Mensch kann mehr als 10.000 Geruchskombinationen unterscheiden, ohne freilich alle benennen zu können. Die meisten Düfte lösen auch keine unmittelbaren Aktionen aus, denn das Gehirn sortiert als erstes die extrem schwachen wie auch andere, als unwichtig erkannten, Gerüche aus. Die als wichtig eingestuften Düfte führen in der Regel zur Aktivierung eines in den Genen hinterlegten Reflexes. So macht der Duft von leckerem Essen den Mund wässrig, ohne dass man darüber nachdenken müsste. Wird den eingehenden Duftinformationen eine sehr hohe Relevanz zugeordnet, zum Beispiel, weil sie Feuer signalisieren, dann ist eine komplexe Bewertung der Situation und eine Entscheidung über notwendige Aktionen angezeigt. Weglaufen, könnte eine Maßnahme sein, oder das Feuer löschen, wenn es denn möglich ist.

Bild: spieleundzukunft.de

 zuletzt geändert: 28.05.2019