Yin und Yang

Yin und Yang

Yin und Yang sind Sinnbild für gegensätzliche Kräfte, die einander bekämpfen und die doch zusammengehören. Sie müssen ein Gleichgewicht finden, denn sie können nicht ohne die andere existieren. Dieses Gleichgewicht ist nichts statisches, etwa schwarze und weiße Blöcke, die sich starr gegenüberstehen, sondern die Kräfte greifen ineinander und erzeugen auf diese Weise Dynamik. Außerdem tragen die Gegensätze ihr Pendant in Form eines Punktes in sich. Schwarz ist irgendwo auch weiß und umgekehrt. Insofern ist das Bild von Yin und Yang anschaulicher Ausdruck eines dialektischen Zusammenhangs. Für meinen Geschmack ist das Bild jedoch etwas zu „rund“. Wenn die in den Strukturen wirkenden Kräfte derart ausgeglichen wären, würden keine Veränderungen stattfinden. Jede Veränderung verlangt oder bewirkt wiederum die Aufnahme oder Abgabe von Energie, also eine Interaktion mit der Umwelt, mithin eine Öffnung nach außen.

Trotzdem ist das Gleichgewicht der Kräfte ein wichtiger Aspekt für das Verständnis der Welt. Natürlich interessiert uns an dieser Stelle nicht vorrangig das Verhältnis von hell und dunkel, hart und weich oder gut und böse, wie bei den Lehren von Yin und Yang, unser Thema ist das Verhältnis von Struktur und Bewegung respektive von Masse und Energie sowie die mit ihnen verbundenen Kräfte. Wir hatten gesehen, dass es zwei Kräfte sind, die die Bildung, Veränderung und Zerstörung von Strukturen bewirken – die Zentrifugalkraft und die Gravitationskraft. Sie resultieren aus den primären Bewegungsarten – die Zentrifugalkraft aus der Bewegung der Teilchen oder Körper um sich selbst und die Gravitationskraft aus der Verwirbelung von Energie in ihrem Inneren. Die Gravitationskraft bewirkt den Zusammenhalt einer Struktur respektive ihrer Teile, die Zentrifugalkraft bewirkt, dass deren Teile auf Abstand gehalten werden, so dass ihnen genügend Bewegungsraum bleibt. In einem Atom bindet die Anziehungskraft der Protonen die Elektronen an den Kern, sie ist gleichzeitig nicht so übermächtig, dass sie die Elektronen in den Kern hineinziehen könnte. Die Elektronen bleiben dank der Fliehkräfte auf einer Umlaufbahn und können auf diese Weise einen energetischen Gegenpol zu den Protonen bilden. Die Bewegung der Elektonen um den Kern herum kann man dabei als sekundäre Bewegungsform betrachten. Sobald die Elektronen von den im Atom wirkenden Kräften befreit werden, nutzen sie ihre Energie für die Ausbreitung im Raum, ihrer originären Daseinsweise.

Letztlich sind alle Strukturen, im Mikrokosmos wie auch im Makrokosmos, nach den gleichen Prinzipien aufgebaut. Sie besitzen einen Massemittelpunkt, der von Trabanten umrundet wird. In den Trabanten steckt der überwiegende Teil der Bewegungsenergie dieser Struktur, so dass ein Gleichgewicht von Masse und Energie entsteht, das in letzter Konsequenz ein energetisches Gleichgewicht ist. Aus diesem Gleichgewicht resultiert ein Gleichgewicht der Kräfte, das für Stabilität sorgt, die sich in relativ gleichförmigen Bewegungen der Struktur sowie ihrer Bestandteile äußert. Auf diese Weise entsteht der Eindruck, dass die Teile der Struktur „träge“ ihren Bahnen folgen. Diese „Trägheit“ ist Resultat der Kräfte, die in dieser Struktur gleichgewichtig wirken. Doch, nichts bleibt so, wie es ist. Es gibt Strukturen, die verschwenderisch mit Energie um sich werfen, wie unsere Sonne, und andere, die alles aufsaugen, was in ihre Nähe kommt. Außerdem gibt es noch Vagabunden, die sich aus Strukturen herausgelöst haben und nun wie Geisterfahrer durchs Weltall irren. Manche von ihnen sind harmlos, wie die Photonen und andere Minnis. Problematisch wird es, wenn größere Brocken auf Kollisionskurs reisen. Ein Zusammenstoß mit ihnen kann ungeahnte Folgen zeitigen. Die Dinosaurier könnten ein Lied davon singen.

Allen Störenfrieden zum Trotz ist Stabiltät ein wichtiges Merkmal der Welt. Wenn unser Sonnensystem nicht seit Jahrmillionen stabil existieren würde, dann würde es die Menschheit nicht geben. Unser Sonnensystem zeigt gleichzeitig, dass das erreichte Gleichgewicht nichts statisches ist. Die Sonne verballert Energie und damit Masse geradezu verschwenderisch, was zwangsläufig das energetische Gleichgewicht des gesamten Systems beeinflusst. Die damit verbundenen Schwankungen im Kraftgefüge kann die Struktur in bestimmten Grenzen aushalten. Wenn die Sonne allerdings so weitermacht, wird irgendwann ihr unerschöpflich erscheinendes Reservoir an Masse soweit dahingeschmolzen sein, dass ein Punkt erreicht ist, an dem die Struktur ihr Gleichgewicht verliert. Dann wird das System in mehr oder weniger spektakulärer Weise seine Existenz beenden. Die noch verbliebenen Bestandteile werden sich in die Weiten des Weltraums verflüchtigen oder sie finden sich in neuer Weise zu Strukturen zusammen. Aber keine Bange, die Erde wird es dann schon längst nicht mehr geben.

Innere Faktoren, die zu Veränderungen führen, gibt es jedoch nicht nur bei Himmelskörpern, auch auf atomarer Ebene wirken Kräfte, die Veränderungen hervorrufen. Elektronen haben zum Beispiel die Eigenart, dass sie nicht gern allein sind, denn sie stecken in einem Dilemma. Einerseits bilden sie den energetischen Gegenpart der Protonen, was zur Erlangung eines Gleichgewichts im Atom eine identische Anzahl von Protonen und Elektronen verlangt. Andererseits umrunden die Elektronen den Kern, so dass dieses Gleichgewicht in Ort und Zeit permanenten Schwankungen ausgesetzt wird. Um derartige Schwankungen zu minimieren, müssten mehrere Elektronen den Kern umrunden, was wiederum eine entsprechende Größe des dazugehörenden Kerns verlangt. Das Wasserstoffatom hat nun das Problem, dass es überhaupt nur ein Elektron binden kann. Um dieses Problem trotzdem zu lösen, bildet es mit einem anderen Wasserstoffatom eine gemeinsame Elektronenhülle. Auf diese Weise bleibt das energetische Gleichgewicht gesichert, gleichzeitig werden die störenden Schwankungen, die sich aus der Bewegung eines einzelnen Elektrons um den Kern ergeben, durch die gemeinsame Nutzung zweier Elektronen gemildert. Man könnte denken, größere Atome haben solche Probleme nicht. Da aber die Räume, in denen sich die Elektronen um den Kern herum bewegen, nur eine begrenzte Zahl von Elektronen aufnehmen können, müssen die jeweils verbleibenden in äußere Räume ausweichen. Dort sind sie womöglich wiederum Einzelgänger, die störende Schwankungen verursachen.

Das Gleichgewicht einer Struktur kann also sowohl durch innere wie durch äußere Faktoren beeinflusst werden. Und dann ist da noch das Universum als Ganzes, das sich wie ein überdimensionierter Luftballon aufbläst, so dass schon deswegen niemand und nichts von Veränderungen verschont bleibt. Insofern kann die so wichtige Stabilität nur ein zeitweiser, auf einzelne Strukturen beschränkter Zustand sein, während Veränderungen ihr permanenter Begleiter sind.

 zuletzt geändert: 04.07.2019